Interview mit unserem aktiven Mitglied Tobias Schellenberger

13. Januar 2022
Wir stellen unser aktives Mitglied Tobias Schellenberger vor. Neben seiner Ehrenamtlichen Tätigkeit bei uns arbeitet er hauptberuflich an der Main Klinik Ochsenfurt als Anästhesist und ist dort als Bodengebundener Notarzt sowie als Ärztlicher Leiter am Rettungshubschrauber Christoph 18 tätig.

Lieber Tobias, vielen Dank das du dir heute die Zeit nehmen und uns ein paar Fragen bzgl. deiner Tätigkeit als Notarzt und Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Kürnach zu beantworten.

 

Seit vielen Jahren bist du als „fliegender“ Notarzt auf dem Rettungshubschrauber Christoph 18 in Ochsenfurt tätig. Wie kam es dazu und was genau sind dort deine Aufgaben?

Die Tätigkeit als Hubschrauber-Notarzt war ein lange gehegter Kindheitstraum, jedoch war dieser Weg dorthin nicht der direkteste. Nach meiner Schulzeit machte ich zunächst eine Lehre als Industriemechaniker. Während der Ausbildung konnte ich aus der Lehrwerkstatt immer die Rettungshubschrauber beim Landen und Starten auf dem Rhön-Klinikum in Bad Neustadt beobachten und mir wurde immer bewußter was ich eigentlich wollte. Da ich jedoch kein Abitur hatte wollte ich wenigstens als HEMS-TC die Chance auf eine Anstellung in der Luftrettung haben und absolvierte die Ausbildung zum Rettungsassistenten. Kurz danach gab es in Bayern die Möglichkeit das Abitur an der Berufsoberschule nachzuholen und so ergab sich mir doch noch Chance auf das Medizinstudium. Nach Studium und Facharztausbildung in der Anästhesie habe ich es jetzt dorthin geschafft, wo ich als Jugendlicher immer hinkommen wollte. Als Notarzt auf dem Rettungshubschrauber bin ich hauptsächlich für die medizinische Versorgung der Patienten verantwortlich. Zusammen mit dem HEMS-TC und dem Piloten bilde ich das Team, dessen Ziel es ist, den Patienten am Einsatzort soweit zu stabilisieren, dass er transportfähig ist um ihn dann schnellstmöglich in das nächste geeignete Krankenhaus zu transportieren.

Kannst du uns eine ungefähre Zahl geben wie viele Einsätze du geflogen bist, und vielleicht auch etwas über deinen aufregendsten Einsatz etwas berichten?

In den 3,5 Jahren in denen ich jetzt auf dem Christoph 18 tätig bin, habe gut 500 Einsätze absolviert. Der Rettungshubschrauber wird häufig von der Leitstelle wie jeder andere Notarzt disponiert und somit ist nicht jeder Einsatz so spannend, wie es im Fernsehen dargestellt wird. Aufregend sind alle Einsätze mit Kleinkindern und Säuglingen, aber auch schwere Verkehrsunfälle mit mehreren Verletzen.

Als Mitglied der Rettungshubschrauberbesatzung kommt es ja immer wieder vor bei schweren Verkehrsunfällen zum Einsatz gerufen zu werden, hier arbeitest du unter anderem mit der Feuerwehr zusammen. Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit dir und den Feuerwehren in Hinblick auf eine schonende und rasche Rettung von Patienten?

Bei solchen Einsätzen ist eine enge Abstimmung zwischen Feuerwehr und Rettungsdienst notwendig. Zunächst muss ich mir ein Bild über die Schwere der Verletzungen des oder der Patienten machen und dann mit der Feuerwehr das weitere Vorgehen absprechen. Sollte es das Verletzungsmuster zulassen, wird natürlich versucht den Patienten möglichst schonend aus dem Unfallauto zu befreien. Das kann durchaus auch mal länger als 30 Minuten dauern. Mitunter lassen es die Verletzungen aber nicht zu, so dass die Rettung viel Zeit in Anspruch nimmt. Dann befreit die Feuerwehr das Unfallopfer schnellst möglich aus dem PKW, auch mit der Gefahr, dass es hierbei zu Verletzungen kommen kann. Solche Einsätze sind zum Teil sehr dynamisch und das Vorgehen muss immer wieder neu zwischen Rettungsdienst und Feuerwehr abgestimmt werden.

Du arbeitest auch mit den HVOlern der Freiwilligen Feuerwehren zusammen, wie sind Ihre Erfahrungen mit dieser Einheit, wie wichtig erachtest du diese in der Rettungskette?

Wir haben in Deutschland ein sehr gutes Rettungsdienstsystem, wahrscheinlich eines der dichtesten weltweit. Trotzdem kann es mitunter länger dauern, bis ein Rettungswagen am Einsatzort eintrifft. Es kann ja nicht an jeder Ecke einer stehen. Hier stellen die HvO-Einheiten eine sinnvolle, aber rein ehrenamtliche, Ergänzung dar. Sie helfen das therapiefreie Intervall bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes zu verkürzen. Gerade bei einem Herz-Kreislaufstillstand kann das für das Überleben entscheiden sein. Die HvO-Einheiten unterstützen aber auch mit ihrer Ortskenntnis den Rettungsdienst gerade wenn es um Einsätze im Wald oder auf dem Feld geht. Oder sie unterstützen uns beim Abtransport,wenn es gilt die Patienten über weitere Strecken zu tragen.

Wenn Passanten einen Rettungshubschrauber in der Landung sehen, was für viele ja sehr spektakulär und interessant ist, was gilt es für diese zu beachten, bzw. können diese aktiv helfen um eine sichere Landung zu unterstützen?

Schön dass sie das ansprechen. Mitunter kommt es zu sehr gefährlichen Situationen, wenn sich Passanten dem Landefeld nähern, so dass unter Umständen der Landevorgang abgebrochen werden muss. Der Abwind der Rotorblätter hat eine enorme Kraft und es können allerlei Gegenstände wie Äste und Steine aufgewirbelt werden und die Schaulustigen treffen. Aber auch eine durch den Downwash fortgerissene Mütze oder Jacke, die in der Folge dann mit den Rotorblättern in Berührung kommt, führt dazu, dass der Hubschrauber zunächst am Boden bleiben muss, bis sicher ist, dass es hierdurch zu keinen Beschädigungen am Rotor gekommen ist. Unsere Piloten wählen die Landestellen mit Bedacht um uns und die Bevölkerung nicht zu gefährden, gleichwohl wollen sie uns möglichst nahe an die Einsatzstelle bringen.

Ein Rettungshubschrauber ist unter anderem sehr wichtig um wertvolle Zeit einzusparen, wie stehst du in diesem Zusammenhang dem digitalen Notarzt gegenüber? Kann dies eine Ergänzung für sehr ländliche Gebiete sein, in denen die Anfahrtswege und Zeiten manchmal sehr groß sind?

Der Telenotarzt ist in der Zwischenzeit in einigen Pilotprojekten Realität geworden. Er kann sicher in der etlichen Situationen die Anwesenheit eines Arztes vor Ort ersetzen und stellt im Zusammenspiel mit gut ausgebildeten Notfallsanitätern eine sinnvolle Ergänzung dar. Aber es wird immer Einsätze geben, in denen der Arzt am Patienten sein muss, gerade wenn es um die „handwerklichen“ Fähigkeiten des Arztes geht.

Du hältst immer wieder, dankenswerterweise, interne Schulungen bei der Freiwilligen Feuerwehr Kürnach, wie wichtig sind aus deiner Sicht diese Weiterbildungen?

Die Medizin entwickelt sich immer weiter, so auch die Notfallmedizin. Diese Erkenntnisse gilt es zu vermitteln und umzusetzen. Gleichzeitig erwarten ja die Patienten dass ihnen bestmöglich geholfen wird und sie unterscheiden nicht, zwischen Freiwilligen, die in ihrer Freizeit helfen und Profirettern die sich tagtäglich mit der Materie auseinander setzen. Daher sind diese Weiterbildungen sehr wichtig. In Kürnach haben viele HvOler einen medizinischen Beruf und somit sind wir hier entsprechend gut aufgestellt.

Du bist aktives Mitglied unserer Freiwilligen Feuerwehr, was macht dir als Feuerwehrmann am meisten Spaß?

Wenn ich mal bei einer Übung wieder das Dach von einem Auto abschneiden darf oder am Strahlrohr stehen kann freue ich mich sehr.Im Einsatz bin ich meistens als Mediziner gefragt. Und wenn mal nicht, dann regele ich am liebsten den Verkehr an der Einsatzstelle.

 

Vielen herzlichen Dank für deine Antworten auf unsere Fragen, und „Allzeit guten Flug und many happy landings!.